Ergebnisse

Gestaltungswille und Wissenslücken –

eine Zwischenbilanz zu #meinfernsehen2021

von Frauke Gerlach und Christiane Eilders aus epd medien 14/21 vom 9. April 2021 

1. Einleitung

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seit über siebzig Jahren ein Massenmedium, das der Information, Bildung und Unterhaltung dienen soll. Dabei soll er die vielschichtigen und komplexen Lebenswirklichkeiten und Interessen bündeln und einen anschlussfähigen gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen. Wichtige Meilensteine für die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie wir ihn heute kennen, wurden auf der Grundlage politischer Entscheidungen gesetzt, die von einer ausdifferenzierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begleitet wurden. Gesellschaftliche, kulturelle und technische Umbruchzeiten sind die wesentlichen Auslöser und Treiber der Weiterentwicklungen nicht nur dieses Mediums. Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Länder wurde 1950 und das ZDF 1961 gegründet. Der DDR-Rundfunk wurde 1990 mit dem Einigungsvertrag aufgelöst. Der Diskurs darüber, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfasst sein soll, fand dabei nur selten mit direkter Beteiligung der Bevölkerung statt. Die Möglichkeiten außerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems und seiner Akteure, die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wahrnehmbar zu reflektieren und Einfluss zu nehmen, konzentrieren sich stark auf die Medienbranche, Expertinnen und Experten sowie etablierte Akteure der Zivilgesellschaft. Gradmesser der Zustimmung zum Programm waren und sind immer noch die Quoten, die für die Sender von großer Relevanz sind und Einfluss auf die Programmentwicklung haben. Die Reichweitenmessungen sagen allerdings nur wenig über die gesellschaftliche Akzeptanz oder die Vorstellung der Bevölkerung von der Verfasstheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus.

Mit dem Internet hat sich eine gesellschaftlich initiierte Medienkritik in den sozialen Medien eigene unstrukturierte und freie Diskursräume geschaffen. Neben konstruktiven Debatten gibt es Resonanzräume für Hass und Hetze, die nicht nur das öffentlich-rechtliche System adressieren, sondern diejenigen treffen, die Inhalte produzieren und präsentieren, vor allem Journalistinnen und Journalisten. Bereits seit längerem wird deutlich, dass es das Fernsehen für alle in unserer fragmentierten und digitalisierten Gesellschaft nicht mehr gibt. Die Medienpolitik der Länder hat sich für dieses Jahr vorgenommen, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu reformieren. Es geht dabei um nicht weniger als um die Frage, welche Anforderungen an das beitragsfinanzierte System zu stellen sind, damit es auch künftig seine Funktion erfüllt. In der öffentlichen Wahrnehmung diskutiert die Medienpolitik aber in der Regel über die Finanzierung, Einsparfordernisse und die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein stetig öffentlichkeitswirksamer Streitpunkt, der sich, wie zuletzt in Sachsen-Anhalt, auch zur politischen Profilierung eignet, ist die Frage Beitragserhöhung. Auch die CDU-Mittelstandsunion, setzt sich bei ihrer Forderung ARD und ZDF zusammenzulegen, mit den Bedürfnissen der Bevölkerung auseinander, generiert aber mediale Aufmerksamkeit.
Wie aber soll das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Zukunft aussehen, was wünschen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer von diesem Medium?

2. Beteiligungsverfahren: Ziele und Durchführung

Um tiefere Einblicke in die Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer an das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu erhalten, hat das Grimme-Institut in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung / bpb und dem Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (DIID) Interessierte eingeladen, sich an einer Online-Diskussion zur Zukunft des Fernsehens zu beteiligen. Inspiriert von der übergeordneten Frage, ob der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens noch zeitgemäß ist, wurden Anmerkungen, Lob und Kritik zu Technik, Programm und Struktur sowie konkrete Vorschläge für das Fernsehen der Zukunft gesammelt.

Die Einladung an die Zuschauenden, sich mit ihren Einschätzungen zu Wort zu melden, ist geeignet, die Offenheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens für Kritik und neue Ideen zeigen und eine breite gesellschaftliche Reflexion über Funktion und Leistung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens anstoßen. Die Ergebnisse der Diskussion werden am 27. Mai 2021 auf einer Tagung mit Verantwortlichen aus den Rundfunkanstalten und Vertreterinnen der privatwirtschaftlich organisierten Medienbranche, Wissenschaft und Politik vorgestellt. Die Tagung ist eine Gelegenheit, einen Dialog zwischen Gesellschaft und öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beginnen, in dem die Zuschauenden in der Auseinandersetzung mit den Fernseh-Verantwortlichen ihre kollektiv erarbeiteten Anliegen weiter schärfen und Responsivität einfordern können.

Im Gegensatz zu den Erkenntnissen, die in Bevölkerungsumfragen typischerweise generiert werden können, können durch das Diskussionsformat nicht nur die grundsätzlichen Positionen und konkreten Bewertungen, sondern auch die Argumente dazu sichtbar gemacht werden. Da in Diskussionen unter Gleichen durch die direkte und für alle Mitdiskutierenden sichtbare Konfrontation der Positionen und Argumente auch Meinungsbildungsprozesse in Gang gesetzt werden – etwa indem bestimmte Begründungen als überzeugend wahrgenommen oder Vorschläge kollektiv abgelehnt oder akzeptiert werden –, ist das Diskussionsformat besonders gut geeignet, um die Komplexität der Sichtweisen offen zu legen. Was hier artikuliert wird, muss auch der öffentlichen Kritik standhalten. Auch bestehende Konfliktlinien zwischen zwei oder mehr Meinungslagern treten in dieser Konfrontation besonders klar zutage.

Das Beteiligungsverfahren war in drei Phasen unterteilt, um die Diskussion zu strukturieren und im Verlauf des Beteiligungsprozesses zu abstimmungsfähigen Verbesserungsvorschlägen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu kommen. Die Teilnehmenden sollten sich in einer längeren ersten Phase zu den Themengebieten „Information“, „Unterhaltung“ und „Zugang und Nutzung“ äußern und untereinander austauschen. Zu jedem Themengebiet wurden mehrere konkrete Leitfragen formuliert, um eine konstruktive Diskussion zu ermöglichen. Unter anderem ging es um die wahrgenommene Ausgewogenheit von Nachrichtensendungen, die Qualität von Unterhaltungsshows oder die Zukunft linearen Fernsehens. Ein nicht inhaltlich festgelegter Bereich sollte neue Diskussionsbeiträge zu weiteren, von den Teilnehmenden definierte Themen ermöglichen. Jeder Beitrag konnte von den anderen unmittelbar positiv oder negativ bewertet oder aber durch einen eigenen Textbeitrag kommentiert werden. Alle Beiträge dieser ersten Phase wurden in einem kooperativen Verdichtungsprozess von Expertinnen aus dem Grimme-Institut und dem DIID zu Kernaussagen synthetisiert und – sofern zu einem Diskussionspunkt grundsätzlicher Konsens deutlich geworden war – für die Abstimmung in der dritten Phase vorgemerkt. Positionen und Argumente, die in der ersten Phase besonders kontrovers waren, wurden pointiert zusammengefasst und für die etwas kürzere zweite Phase nochmals zur Diskussion gestellt. Diese wurden entlang der offen gebliebenen Konflikte in die Themenbereiche „Wie geht Fernsehen für alle?“, „Wie wird Fernsehen mitgestaltet?“ und „Was läuft im Fernsehen?“ gegliedert. Die Leitfragen, die innerhalb der Themenbereiche die Diskussion anregen und strukturieren sollten, befassten sich etwa mit regionalen Inhalten, mit Mediatheken und YouTube sowie mit Präferenzen für bestimmte Genres. Auf diese Weise konnten die Diskussion noch vertieft und weitere konstruktive Ideen für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gesammelt werden.

Die Diskussionen und die geäußerte Kritik waren vielfältig und anregend. In der zweiten Phase, die hier bereits mitverarbeitet ist, wurden zahlreiche konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht. Diese können in diesem ersten knappen Ergebnisüberblick nicht vertieft berücksichtigt werden. In der dritten und letzten Phase fand der Meinungsbildungsprozess in Form einer Abstimmung statt. Die Ergebnisse werden gegenwärtig ausgewertet.
Die Teilnehmenden wurden überwiegend über die Verteiler vom Grimme-Institut, des Deutschen Volkshochschul-Verbands und der Bundeszentrale für politische Bildung rekrutiert. Einige Interessierte sind auch durch Pressemitteilungen und Medienberichterstattung auf das Beteiligungsverfahren aufmerksam geworden. Als Zielgruppe für die Diskussion zwischen Zuschauerinnen und Zuschauern waren Menschen zwischen Anfang 20 und Mitte 50 avisiert worden, da sowohl die Digital Natives als auch diejenigen angesprochen werden sollten, die ihre Mediensozialisation mit linearem Fernsehen erlebt haben und jetzt die digitale und die analoge Fernsehwelt kennen. Durch die stark verteiler-basierte Ansprache war die genaue Zusammensetzung der Teilnehmenden nicht zu steuern. Es liegen auch keine Informationen zu Geschlecht, Alter oder Bildungsabschluss vor. Es ist davon auszugehen, dass Personen mit ausgeprägtem Interesse für öffentlich-rechtliches Fernsehen überrepräsentiert sind. Dazu gehören, so zeigt der Verlauf der Debatte, sowohl Kritiker als auch Unterstützer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Da das Beteiligungsverfahren die Breite an Sichtweisen in der Bevölkerung einfangen und nicht die genaue Verteilung dieser Sichtweisen ermitteln sollte, spielt die Repräsentativität der Teilnehmenden hier keine Rolle. Es muss aber klar sein, dass Aussagen über die Verbreitung bestimmter Sichtweisen in der Gesamtbevölkerung mit den vorliegenden Daten nicht möglich sind.

Die Teilnehmenden mussten sich zunächst auf der Website des Grimme-Instituts mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren, bevor sie für die Diskussion freigeschaltet wurden. Somit wurde eine gewisse Kontrolle der Teilnehmenden gewährleistet und Trolle, die die Diskussion destruktiv hätten beeinflussen können, wurden möglicherweise abgeschreckt. Da in der Diskussion Nicknames verwendet werden durften, war eine Identifizierbarkeit der Teilnehmenden nicht gegeben. Eine Moderation durch mehrere, im Schichtbetrieb agierende Teams, die von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert und angeleitet wurden, sollte einen angemessenen Tonfall in der Diskussion gewährleisten und sicherstellen, dass alle Beiträge ernst genommen werden. Weiter sollte die Moderation Hintergrundinformationen von Dritten verfügbar machen und bei Unklarheiten und Widersprüchen nachhaken sowie Querverbindungen zwischen verschiedenen Beiträgen sichtbar machen, um so den Dialog zu unterstützen.

3. Ergebnisse

Die große Teilnahmebereitschaft am Online-Beteiligungsverfahren zur Zukunft des Fernsehens stellt das erste Ergebnis des Verfahrens dar. Insgesamt haben sich in den ersten beiden Phasen 1.014 Menschen auf der Plattform registriert. Davon haben 637 am Verfahren teilgenommen und insgesamt 2.418 Beiträge geschrieben. Eindrucksvoll ist auch die Kennzahl über die tägliche Aktivität auf der Plattform: Die durchschnittliche Anzahl von Beiträgen pro Tag betrug in der ersten Phase 41 und in der zweiten Phase 33.

Ein zentrales Ergebnis des Beteiligungsverfahrens ist die weitgehende Abwesenheit von inzivilen Beiträgen oder gar Hatespeech. Die Diskussion verlief in weiten Teilen respektvoll. Das Moderationsteam musste sehr selten eingreifen. Das ist umso bemerkenswerter, als der Gesamttenor der Beiträge in beiden Phasen eher negativ war, in den Beiträgen also sehr viel mehr Kritik als Unterstützung geäußert wurde.

Die Teilnehmenden waren sich weitgehend einig darüber, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen reformbedürftig ist und bei allen Reformen die Zuschauenden in die Entscheidungen eingebunden werden sollten. Darüber, wie fundamental diese Reformen sein müssten, gingen die Meinungen auseinander. Die Kritikpunkte waren entsprechend auf ganz unterschiedlichen Ebenen angelegt. In Bezug auf den Auftrag und die Programmschwerpunkte waren sich die Teilnehmenden uneinig, ob ausschließlich Information und Bildung oder auch Unterhaltung, Kultur und Sport angeboten werden sollten. Weniger leichte Unterhaltung und mehr Kultur im Unterhaltungsbereich und mehr hochwertige Dokumentationen zu attraktiveren Sendezeiten waren weitere von einigen Teilnehmenden formulierte Wünsche. Auch Bildungsangebote sollten nach Ansicht vieler Teilnehmender vermehrt angeboten werden. In allen Programmtypen sollte die Qualität anstelle der Quoten entscheidend sein.

3.1 Umstrittene Nachrichtensendungen

In Bezug auf die Vielfalt innerhalb von Programmkategorien wurde vor allem die als mangelhaft empfundene Diversität von Themen und Gästen in Talkshows angesprochen. In fiktionalen Formaten wurden ebenfalls die immer gleichen Geschichten und Gesichter sowie der große Anteil von Krimis im Programm und die Allgegenwart von Gewalt bemängelt. Es wurde angeregt, stärker gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen. In Unterhaltungsshows wollten einige vielfältigere und stärker zeitgemäße Formate mit weniger Prominenten sehen, die auch Jüngere ansprechen. Als gelungene Angebotsform zwischen der Unterhaltungs- und der Informationssäule galten die interaktiven Formate zu besonders gesellschaftlich relevanten Themen wie „Gott“ von Ferdinand von Schirach.

Sehr umstritten waren die Nachrichtensendungen. Sie wurden zwar von vielen als verlässliche Informationsquellen und notwendiger Beitrag zur Meinungsbildung genannt, aber viele äußerten sich auch kritisch, vor allem weil sie sich bevormundet und belehrt fühlten. Weiter seien die Nachrichten häufig auf deutsche Innenpolitik beschränkt, während man über die EU oder den Rest der Welt abseits von Katastrophen wenig erfahre. Schließlich seien die Nachrichten oft ohne hinreichenden Neuigkeitswert gesendet worden, auch wenn keine neue Entwicklung sichtbar sei. In den Nachrichtensendungen wurde außerdem die mangelnde Neutralität und Ausgewogenheit moniert. Das komme durch die Themenwahl und die Art der Berichterstattung oder Gesprächsführung zum Ausdruck. Nicht immer seien Meinungsbeiträge hinreichend klar markiert. Ein ähnlicher Vorwurf ging an Moderatorinnen und Moderatoren von Talkshows.

Meinungsformate wurden nicht durchweg abgelehnt; so wurden Satireshows von der Kritik an vermeintlichem Meinungsjournalismus ausgenommen. Vielmehr gehörten diese zu der Programmkategorie mit der besten Beurteilung.

Eine Kontroverse entwickelte sich um die Frage, ob das lineare Fernsehen noch von Bedeutung ist. Dabei wurde einerseits die Funktion des Fernsehens als Ort gemeinsamer Erfahrung sowie als Strukturierung des Alltags hervorgehoben, und einige warnten vor dem Ausschluss der meist älteren Offliner. Andererseits waren Stimmen, die das lineare Fernsehen als überholt betrachteten, deutlich vernehmbar. Unter anderem wurde in diesem Zusammenhang wiederholt auf die unattraktiven Sendezeiten hochwertiger Inhalte im linearen Ablauf hingewiesen.

Eine entsprechend hervorgehobene Rolle kam den Mediatheken in der Diskussion zu. Der Reformbedarf bei den Mediatheken war unstrittig. Die Teilnehmenden wünschten sich ein Angebot, das dauerhaft für alle standortunabhängig verfügbar ist und in dem alle Beiträge benutzerfreundlich zugänglich und zentral organisiert sind. Technische Innovationen wie eine verbesserte Suchfunktion wurden als notwendig empfunden. In der Diskussion wurde klar, dass vielen die rechtlichen Rahmenbedingungen und der kostenfreie Zugang nicht bekannt waren.

3.2 Kontroverse zu Finanzierung

Strittig war, wie viele Sender sinnvoll sind und wie diese sich unterscheiden sollen. Einige plädierten mit Blick auf die Kosten und den ihrer Meinung nach geringen Beitrag der einzelnen Sender zur inhaltlichen Vielfalt für eine Einschränkung der Senderanzahl. Eine Zusammenlegung von ARD und ZDF wurde nur vereinzelt gefordert, aber häufig gerieten die Dritten Programme in den Blick. Hier gab es allerdings starken Widerstand durch Teilnehmende, die die lokale und regionale Ausrichtung gerade erhaltenswert fanden, weil diese Einblicke ausschließlich in den öffentlich-rechtlichen Angeboten zu finden seien. Auch hier wurde deutlich, dass das Wissen über den gesetzlichen Auftrag zur Grundversorgung nicht sehr verbreitet ist.

In Bezug auf die Finanzierung gingen die Meinungen stark auseinander. Es wurden diverse Ideen vorgebracht, die zwischen der Forderung nach Abschaffung des Rundfunkbeitrags und konkreten Sparvorschlägen changierten. Neben der Zusammenlegung von Sendern wurde auch die Abschaffung von teuren Sport-Übertragungen gefordert. Durch Werbung sollten die Finanzierungslücken dabei nicht geschlossen werden. Vielmehr wurde die Finanzierung durch Werbung als problematisch empfunden. Bei der Diskussion über die Finanzierung wurde besonderer Wert auf die Beteiligung der Zuschauenden gelegt.

Viele Teilnehmende waren der Ansicht, das öffentlich-rechtliche Fernsehen solle darauf verzichten, gebührenfinanzierte Inhalte auf kommerziellen Plattformen wie Youtube oder Facebook anzubieten. Dafür wurden auch datenschutzrechtliche Bedenken geltend gemacht. Andere argumentierten, so könne man ein jüngeres Publikum erreichen, und schlugen vor, auf den Plattformen lediglich Kurzzusammenfassungen zu veröffentlichen, die als Einladung auf die öffentlich-rechtlichen Kanäle dienen können.

3.3 Fazit und Ausblick

Das Partizipationsverfahren hat stufenweise tiefere Einblicke in Positionen, Begründungen und den Wissensstand sowie Einstellungen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hervorgebracht. Die Themenfelder wurden in der ersten Phase zwar vom Grimme-Institut, dem DIID und der BPB entwickelt, die weitere Ausdifferenzierung wurde aber durch die Teilnehmenden vorgenommen. Indem sie zu bestimmten Themen unterschiedlich viele Beiträge hinterlassen haben und sich bei Fragestellungen entweder einig oder uneinig waren, haben sich unterschiedliche Diskussionspunkte und deren Relevanz herauskristallisiert. Durch die Ausgestaltung des Verfahrens konnte – wie in der Zielperspektive avisiert – ein Steuerungsprozess bottom up initiiert werden.

Das Gelingen hing von den Teilnehmenden ab. Diese haben die Möglichkeit produktiv genutzt und eigene Themenschwerpunkte gesetzt, Vorschläge gemacht und Fehlendes ergänzt. Das ausdifferenzierte dreiphasige Verfahren hat sich daher bewährt. Als positives Fazit können wir darüber hinaus feststellen, dass der Tonfall überwiegend zivil war und sich Inhalte häufig substanziell aufeinander bezogen. Nicht selten ergab sich ein enger Austausch über Bewertungen und Vorschläge.

Zu den aufgeworfenen Fragestellungen entwickelte sich ein Qualitätsdiskurs der Teilnehmenden. Dieser ging von der Programmgestaltung über die Frage von Qualitätsmaßstäben bis hin zu Vorschlägen zur Verbesserung der inhaltlichen und technischen Qualität des Fernsehens. Auch die Fragen von Vielfalt und Relevanz spielten dabei eine Rolle. Es wäre wünschenswert, wenn diese Gesichtspunkte im Kontext der aktuellen Debatte um die Reform des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reflektiert werden würden. Eine entsprechende Reflexion wäre auch im Bereich der Expertendiskurse über Medien und für die öffentlich-rechtlichen Sender selbst sowie ihre Programmgestaltung fruchtbar.

Im Kern geht es um gesellschaftliche Anschlussfähigkeit, die Auseinandersetzung mit produktiven Anregungen und Kritik, aber auch um Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen der verantwortlichen Akteure in den Sendern, Gremien und der Politik. Gerade die Fragen der Ausgewogenheit und Transparenz wurden außerordentlich kritisch gesehen und können als „Hauptbaustellen“ identifiziert werden.

Andererseits zeigten sich klare Wissenslücken vieler Teilnehmenden. Dies betrifft vor allen Dingen das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Zusammensetzung und Funktion der Gremien. Die Wissenslücken erstrecken sich darüber hinaus auf die zentralen rechtlichen Rahmenbedingungen und die Zuständigkeit sowie Entscheidungskompetenz der Länder. Daraus resultieren Einschätzungen und Bewertungen, die dazu beitragen, dass der Eindruck entsteht, dass Sender und Politik interessengeleitet miteinander verwoben sind und eine Agenda verfolgen.

Kenntnisse über die Rechte von Produzierenden und Kreativen sind häufig ebenfalls nicht ausgeprägt. So entsteht unter anderem der Eindruck, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „seine“ Inhalte zurückhält und nicht für alle nutzbar macht. Auch diese wertvollen Einblicke und Erkenntnisse können Hinweise für eine Modifizierung des politischen und journalistischen Diskurses über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bieten. Darüber hinaus bietet dieser Befund Anlass zu einer kritischen Überprüfung der Inhalte der Medienbildung. Diese war in den vergangenen Jahren, ganz verkürzt ausgedrückt, auf die Fragen der Digitalisierung der Gesellschaft ausgerichtet. Vertiefte Kenntnisse über die Aufgaben, die Regulierung und den Sinn und Zweck des deutschen Mediensystems werden in der Regel als Basiswissen in der Bürgerschaft vorausgesetzt. Wie die Online-Diskussion zeigt, besteht aber großer Erklärungsbedarf.

Will man diese Lücken schließen und auch in Zukunft Verständnis und Akzeptanz in der Bevölkerung für das System eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks erreichen, sollten Wissenslücken geschlossen werden. Hierbei können der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Medienbildungseinrichtungen und die Medienpolitik einen wichtigen Beitrag leisten. Wünschenswert wäre, wenn zugleich der kritische Diskurs über die Ausgestaltung des Systems Beachtung finden würde. Das Verfahren verdeutlicht, dass der Wunsch nach Reformen besteht, und zugleich wurden konstruktive Vorschläge gemacht, wie diese aussehen können.

3.4 Gelungenes Modell

Mit dem Verfahren konnten die wesentlich gesetzten Ziele der drei verantwortlichen Institutionen erreicht werden, zum Teil wurden die Erwartungen übertroffen. Dies gilt zum einen für die große Resonanz, die sich in 2.418 Beiträgen niedergeschlagen hat, und zum anderen für die überwiegend zivile Art und Weise der Debattenführung. Wir sehen in dem entworfenen Partizipationsverfahren ein gelungenes Modell für weitere vergleichbare Verfahren. Die Ergebnisse können durchaus als Ermunterung verstanden werden, dass verantwortliche Akteure Partizipationsverfahren für aktuelle und konkrete Fragen selbst anbieten. Auch wenn die Befunde nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung stehen, sind hier Einsichten zu gewinnen, die über die Erkenntnisse aus typischen Umfragedaten klar hinausgehen.

Gegenwärtig werden die Ergebnisse der dritten Phase ausgewertet. Die Inhalte der für den 27. Mai in Düsseldorf geplanten Tagung orientieren sich an den Diskursbeiträgen. Diese sollen an die Verantwortlichen der Sender, der Medienpolitik und die Vertreterinnen und Vertreter der Branche adressiert und mit ihnen diskutiert werden. Die Erkenntnisse des Partizipationsverfahrens werden schlussendlich in die Arbeit des Grimme-Instituts, des DIID und der BPB einfließen. Für die Wissenschaft, die Medien- und Demokratiebildung und den gesellschaftlichen Mediendiskurs bieten die Diskursbeiträge wichtige Hinweise, die bearbeitet und vertieft werden können.

Darüber hinaus würden wir uns wünschen, dass dieses Verfahren Erkenntnisse und Anregungen für die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Medienpolitik bietet, die konstruktiv aufgegriffen werden können. Die große Zahl der Teilnehmenden belegt die Bedeutungszuweisung der Gesellschaft für das öffentlich-rechtliche Fernsehen und offenbart die große Bereitschaft und den Willen, sich an der Gestaltung der Zukunft des Fernsehens zu beteiligen.